Im Land der Socken und Sandalen – ein Klischee erkunden | Treffen Sie die Deutschen | DW | 29.07.2020

2021-11-16 21:53:39 By : Ms. Caroline Wang

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Schräger Trend: Socken und Sandalen zieren die Füße deutscher Hipster. Der Kombi war früher ein modisches No-Go. Aber das hat die Deutschen nie gestört.

Das Tragen von Socken in Sandalen galt früher als absoluter Fashion-Fauxpas. Ganz einfach: Wenn es heiß genug ist, um Sandalen zu tragen, wozu braucht man dann noch Socken? Und was ist der Zweck dieser Kombination, sobald es regnet? Jedenfalls ist es nicht wasserdicht. Diese modische Eigenart war vielen Beobachtern ein Dorn im Auge.

Vorreiter dieser ambivalenten Entwicklung waren deutsche Touristen. Sie ignorierten den Spott ihrer weißen Tennissocken in ihren Ledersandalen - und gingen gleichgültig weiter. Sie waren jedoch nicht die einzigen, denen dieser Look weltweite Aufmerksamkeit verschaffte. Es wurde beobachtet, dass diese Kombination bei älteren Menschen bevorzugt wird, die sich nicht um das Diktat von Moden und Trends kümmerten. Dennoch konnte sich der Deutsche als Sandalensockenträger zu einem nationalen Stereotyp für Deutschland entwickeln.

Der Künstler Miguel Fernandez zum Beispiel greift diese deutsche Modevorliebe in seiner DW-Zeichentrickserie "Verstehst du Deutsch?" auf. auf dem Korn.

Kategorische Ablehnung durch die Modepolizei

Das kulturelle Phänomen verdient daher eine genauere Betrachtung. Sind die Deutschen wirklich der Ursprung dieser Kombination, die vor nicht allzu langer Zeit von der internationalen Modepolizei kategorisch abgelehnt wurde?

Das Internet verrät nicht viel über die Ursprünge des Klischees. Es gibt eine Wikipedia-Seite zum Thema „Socken und Sandalen“ auf Englisch und ein paar anderen Sprachen – aber auf Deutsch gibt es sie nicht einmal. Es wird erwähnt, dass der erste dokumentierte Beweis dafür, dass Socken und Sandalen zusammen getragen wurden, bei Ausgrabungen an einer antiken archäologischen Stätte in North Yorkshire, England, gefunden wurde. Eine Analyse der Überreste einer Sandale ergab, dass die Römer vor 2000 Jahren beides zusammen trugen.

Römisch-ägyptische Socken, die an der Spitze gespalten waren und zum Tragen mit Sandalen bestimmt waren, wurden Ende des 19. Sie stammen vermutlich aus dem 4. bis 5. Jahrhundert und befinden sich seit 1900 in der Sammlung des V&A Museum in London.

Römisch-ägyptische Socken aus dem 4. oder 5. Jahrhundert

Auch die Japaner entwickelten aus dieser Kombination ihren eigenen Stil, wie die Modehistorikerin Birgit Haase, Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, berichtet. Auch die traditionellen Tabi-Socken aus dem 15. Jahrhundert wurden speziell für das Tragen mit Zehentrennern entwickelt. Sie werden von Männern und Frauen in unterschiedlichen Kontexten getragen und sind auch heute noch Teil der formellen Kleidung, beispielsweise bei Teezeremonien.

Im Vergleich dazu kommt die Socken-Sandalen-Kombination in der deutschen Tracht nicht vor, während Kniestrümpfe für Herren in Lederhosen eine gute Sache sind. Das deutsche Sandalen-Socken-Klischee habe sich unter deutschen Touristen verbreitet, so Lena Sämann, Leiterin der Modeabteilung von Vogue Germany Online. "Deutsche Auslandstouristen waren jahrelang als Stilsünder bekannt und berüchtigt, die in Tennissocken und Trekkingsandalen die Berge erklommen und Südeuropa zum Staunen gebracht haben", sagt sie der DW. Jahrelang seien die Deutschen die meisten Reisenden der Welt gewesen, manche wollten sich im Ausland zu Hause fühlen, sagt Sämann – und wählten Schuhe, die ihren Hausschuhen ähnelten.

Im Süden Europas staunten lange deutsche Touristen, aber sie wollten es sich einfach nur bequem machen

Die Moderedakteurin weist auch darauf hin, dass „Deutsche gerne für jede Situation gewappnet und gewappnet sind. Sie hatten schon immer ein Faible für Funktionskleidung – auch im Partnerlook – und wer Socken in Trekkingsandalen trägt, bekommt sie wahrscheinlich nicht So schnell Blasen die Füße.“ Die Modehistorikerin Birgit Haase nennt einen weiteren praktischen Grund für die Kombination: Socken absorbieren Schweiß in Sandalen – und sind nicht so nutzlos, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.

Während unklar ist, wann das Socken- und Sandalenklischee mit den Deutschen in Verbindung gebracht wurde, kann das Land zumindest stolz auf den Siegeszug der orthopädischen Sandalen sein.

Birkenstock hat sich zu einer der bekanntesten Marken der Welt entwickelt. Der deutsche Schuhmacher Johann Adam Birkenstock gründete 1774 sein Familienunternehmen. Die Schuhe mit Korksohle wurden 1945 entwickelt. Das erste Modell, das der heute weit verbreiteten Birkenstock-Sandale ähnelt, wurde 1964 erfunden.

Den ikonischen Status des Schuhs verdankt der Schuh vor allem der deutsch-amerikanischen Designerin Margot Fraser. Auf einer Kurreise nach Deutschland im Jahr 1966 entdeckte sie den Tragekomfort der Sandalen und verkaufte sie in Kalifornien, wo sie bei Hippies beliebt wurden.

In den 1980er Jahren machte Fraser die Marke in den USA zu einem Multimillionen-Dollar-Unternehmen. In Nordamerika gelten Socken- und Sandalenträger heute eher als Westküsten-Phänomen, das beispielsweise von der TV-Satire „Portlandia“ und unzähligen Memes verspottet wird.

Ursprünglich als Duschpantoffel konzipiert, tragen Hipster heute die Adilette auf der Straße – sogar mit Socken

Eine weitere deutsche, eigentlich orthopädische Sandale mit Kork in der Sohle hat in letzter Zeit an Popularität gewonnen. Der Wörishofer wurde in den 1940er Jahren im bayerischen Kurort Bad Wörishofen entwickelt. Als mit ihnen ab 2010 Hollywoodstars wie Kirsten Dunst und Maggie Gyllenhaal auftraten, wurde die Marke neben Birkenstock, Crocs und Ugg Boots in die Liste der „hässlichen“ Schuhe aufgenommen, die plötzlich im Trend liegen.

Der deutsche Schuhriese Adidas steht mittlerweile hinter einer weiteren Kult-Sandale. Seine Adilette-Hausschuhe wurden 1963 auf Wunsch von Sportlern entworfen, die einen Schuh wollten, den sie in Umkleidekabinen und Duschen tragen können. Mit seiner orthopädischen Gummisohle und dem gestreiften Oberteil ist das legendäre Modell vom Pool auf die Straße gezogen, wo es auch gerne mit Socken getragen wird – vor allem von Hipstern. „Auf den Straßen Berlins findet man an jeder Ecke Typen, die aussehen wie die Reinkarnation des typischen deutschen Touristen von einst – mit Shorts, Fischerhut, Tennissocken und Trekkingsandalen“, sagt Vogue-Redakteur Sämann.

Der lange verpönte Kombi ist auch in Posh erhältlich, seit High Fashion den Trend entdeckt hat

In den letzten Jahren haben unzählige Lifestyle-Magazine begeistert über die Verwandlung des einstigen Fashion-No-Gos in ein trendiges Must-have berichtet. Seit rund zehn Jahren bringen Labels wie Miu Miu, Wood Wood und Vetements ihre Models mit Socken und Sandalen auf den Laufsteg. Der Anzug wurde immer beliebter bei Hipstern, die, inspiriert vom Unisex-Trend Normcore und Ironie, "absichtlich uncool" aussehen wollten.

Von Justin Bieber bis Rapper Tyler the Creator, von Mary-Kate und Ashley Olsen bis MIA – sogar Superstars haben den Trend angenommen.

Die Socken-Sandalen-Debatte wird trotz High Fashion Labels, selbsternannter postironischer Hipster und exzentrischer Promis weitergehen. Die deutschen Touristen nahmen jedoch nie daran teil - obwohl sie die ungekrönten Pioniere der Bewegung waren.

Weitere Inhalte zu Deutschen und ihren Eigenheiten, der deutschen Alltagskultur und Sprache finden Sie auf unserer Website www.dw.com/meetthegermans_de, auf YouTube oder auf Instagram. 

Im Ausland sind Deutsche für ihren unverwechselbaren "Stil" bekannt

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